17.03.2017

Vier Initiativen fordern eine Annullierung

 

Landrat erhält offenen Brief zum Südumfahrungs-Vertrag – Kritik an fehlendem Nutzen des Neubaus

 

Markdorf sz Eine zu geringe Entlastung für einen zu hohen Preis befürchten vier Initiativen aus der Region durch die Südumfahrung. In einem offenen Brief haben sie sich daher an Landrat Lothar Wölfle gewandt. Darin fordern sie möglichst eine Annullierung des Südumfahrungs-Vertrags, zumindest aber eine Neubewertung durch Gemeinderat und Kreistag.

Unterzeichnet ist das dreiseitige Schreiben von Susanne Deiters-Wälischmiller (Umweltgruppe), Fritz Käser (IG Verkehrsneuplanung Ittendorf), Walter Zacke (Pro Kluftern) und Uwe Gasch (BI Bermatingen-Ahausen für ein umweltverträgliches Verkehrskonzept). Angefügt sind dem Schreiben Informationen zu Entlastungsprognosen durch die Südumfahrung. Laut den Daten des Büros modus consult würde die Entlastung auf der Ravensburger Straße lediglich bei 7300 Fahrzeugen pro Tag liegen. Frühere Erhebungen des Büros waren von bis zu 13300 Fahrzeugen pro Tag ausgegangen. „Die Verringerung liegt daran, dass ein Messfehler korrigiert wurde und insgesamt auch von weniger Verkehr auf den Strecken ausgegangen wird. Somit ergibt sich dort weniger Stau und weniger Ausweichverkehr“, erläutert Frieder Stärke von der Umweltgruppe. Die bleibende Belastung für die Ortsdurchfahrt liegt den Prognosen zufolge jeweils bei rund 13000 bis knapp 14000 Fahrzeugen pro Tag.

Die Konsequenz für die Verfasser des offenen Briefes: Die gestiegenen Kosten für die Südumfahrung stehen nicht mehr im Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen. „Wir würden viel mehr Geld für etwas ausgeben, das eine zu geringe Leistung bringt“, sagt Joachim Mutschler, Vorsitzender der Umweltgruppe. Auch durch eine Südumfahrung werde die Ravensburger Straße niemals zu einer Wohnstraße. Die Kosten für die Südumfahrung sind von der vorherigen Schätzung von rund 18 Millionen Euro auf mittlerweile 24,5 Millionen Euro gestiegen. Ausgehend vom Höchstfördersatz durch das Land müssen Kreis und Stadt sich rund 13 Millionen Euro teilen – also jeweils 6,5 Millionen Euro übernehmen. Beim Bürgerentscheid zur Südumfahrung aus dem Jahr 2003 lag der Eigenanteil der Stadt noch bei 1,7 Millionen Euro.

Gesamtlage neu einschätzen

Für Ittendorf erwartet Fritz Käser, Vorsitzender der IG Verkehrsneuplanung eine besondere Belastung durch die geplanten Ortsumfahrungen von Kluftern und Markdorf. „Prognosen zufolge wären es pro Tag rund 5800 Fahrzeuge mehr. Dadurch nimmt auch die Lärmbelastung enorm zu“, sagt Käser. Auch wenn die B31neu hinzukomme, wäre Ittendorf noch mehr benachteiligt. Stärke appelliert daher: „Wir müssen Geduld aufbringen und die Gesamtlage neu einschätzen. Es muss geklärt sein, ob wir wirklich alle diese Straßen brauchen.“ Susanne Deiters-Wälischmiller, Fraktionsvorsitzende der Umweltgruppe, ergänzt: „Wenn sich so viele Fakten ändern, dann muss ein Gemeinderat darüber informiert und eigentlich auch nochmals gefragt werden.“ In der öffentlichen Diskussion fehle Transparenz. Dies wollen die Initiativen nun nachholen und wollen zum Beispiel einen Flyer herausgeben.

Ein erster Schritt ist der offene Brief an den Landrat. „Unsere Hoffnung ist, dass wir dadurch Argumente aufzeigen, die einen neuen Diskurs entfachen“, sagt Stärke. In dem Schreiben kritisieren sie daher nicht nur das Vorgehen von Wölfle und dem damaligen Bürgermeister Bernd Gerber, diesen Vertrag heimlich geschlossen zu haben. Sie äußern auch juristische Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung und fordern, dass Stadt und Kreis vor Baubeginn nochmal über das Projekt an sich entscheiden dürfen. Denn in den vergangenen Jahren hätten sich weitere Rahmenbedingungen deutlich geändert. Dabei verweisen sie vor allem auf die in Prognosen überschätzte Entlastung durch die Südumfahrung.

Die Verfasser des offenen Briefes zählen aber unter anderem auch auf: „Zwischenzeitlich wird das Projekt B31neu Meersburg-Immenstaad vorangetrieben, das – als Teil der geplanten B30/B31-Bündelungstrasse – auch zu einer Entlastung Markdorfs beitragen kann.“ Zudem sei fraglich, ob die Anbindung am „Wagner-Knoten“ kompatibel mit der Ausbauoptionen für die Schiene sei. Die Ortsumfahrung Markdorfs stehe damit in Konkurrenz zur Bodenseegürtelbahn und schmälere die Wirtschaftlichkeit des Ausbaus der Bahn. Auch habe die Lärmaktionsplanung bereits spürbare Erfolge in Markdorf erzielt und weitere entlastende Maßnahmen stünden noch aus.

Abschließend appellieren die Verfasser an Landrat Wölfle, den Südumfahrungs-Vertrag im gegenseitigen Einverständnis mit Bürgermeister Georg Riedmann zu annullieren. „Zumindest sollte er so geändert werden, dass eine neue unabhängige Entscheidung über den Bau der Ortsumfahrung durch Gemeinderat und Kreistag angesichts der aktuellen Finanz- und Faktenlage möglich wird. Aufgrund seiner Stellungnahme vom 7. März nehmen wir an, dass Herr Riedmann bereit wäre, dem zuzustimmen“, schreiben die Initiativen.

Im Landratsamt ist der offene Brief am Freitag per E-Mail eingegangen. Behördensprecher Robert Schwarz teilt auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ mit: „Herr Stärke wird auch eine Antwort erhalten, allerdings nicht mehr heute.“

Er verwies zudem darauf, dass der Mythos eines Geheimvertrages nicht reeller werde, nur weil man dieses Wort immer wieder gebrauche. Die Stellungnahmen zur Sachlage würden auf dem Tisch liegen. Dem habe man nichts hinzuzufügen. „Dem Argument, dass es vor einem tatsächlichen Baubeginn der Kreisstraße noch einmal eine politische Entscheidung geben muss und wird, stimmen wir voll zu“, so Schwarz. Diese Entscheidung liege aber allein beim Projektträger und künftigen Bauherrn, dem Landkreis. „Bei dieser kreispolitischen Entscheidung werden dann mit Sicherheit auch die im offenen Brief vorgebrachten Argumente, zum Beispiel die gestiegenen Kosten, die tatsächliche Förderkulisse, die Verkehrssituation in der Region sowie natürlich auch die Signale aus Markdorf, berücksichtigt und abgewogen werden“, versichert der Sprecher des Landratsamtes.