MdB Schockenhoff schreibt an den OB

Offener Brief zur Sitzung des Haushaltsausschusses im Bundestag

Mit einer Aussage von Oberbürgermeister Andreas Brand beginnt ein offener Brief, den der Bundestagsabgeordnete Dr. Andreas Schockenhoff an eben diesen OB adressierte. Oberbürgermeister Andreas Brand kommentierte den Brief gestern Abend: „In der Aufsichtsratssitzung eines wichtigen Häfler Unternehmens habe ich keine Zeit gefunden, den Brief eines Bundestagsabgeordneten zu lesen.“ Lesen Sie den Brief hier:

„Die B 30 gegen die B 31 auszuspielen, wie es der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete Rudolf Bindig offenbar versucht, ist genau jene Vorgehensweise, die uns nicht weiterbringt. Die Region muss zusammenhalten, und dann spielt es keine Rolle, ob die B 30 oder die B 31 zuerst begonnen wird. Rein vom Verfahren her ist die B 30 weiter und könnte früher starten, aber es ist nicht mehr länger hinnehmbar, dass sich gar nichts bewegt. Ich sehe die Region als ein gemeinsames Oberzentrum, das für eine gemeinsame Sache kämpft.“ (OB Brand, SZ, 24. September)

Sehr geehrter OB, lieber Herr Brand, ihre Äußerung hat nichts an Aktualität und Richtigkeit verloren. Das betrifft sowohl den Verfahrensfortschritt der B 30, als auch den Zusammenhalt der Region. Lassen Sie uns gemeinsam für eine zukunftsfähige Infrastruktur eintreten. Dessen ungeachtet möchte ich zu den Verlautbarungen – auch aus Ihrem Hause – im Zusammenhang mit der heute vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags verabschiedeten Projektliste für das Infrastukturbeschleunigungsprogramm II Stellung nehmen:

Erstens: Es war immer Konsens in der Region, dass sowohl 30 als auch 31 höchste Dringlichkeit haben, die B 30 Süd jedoch vor der B 31 realisiert wird. Daher ist durch die heutige Entscheidung niemand „Verraten und belogen“, sondern einer einmütigen Forderung aus der Region Rechnung getragen worden.

Zweitens: Auf der Basis dieses Einvernehmens wurden für die B 30 Süd bereits die Ausführungsplanungen und weitere bauvorbereitende Maßnahmen eingeleitet, finanziert und vollendet. Daher ist ein Spatenstich für die B 30 im Gegensatz zur Situation an der B 31 sofort möglich.

Drittens: Sowohl 30 als auch 31 befinden sich in der Einstufung des Landes Baden-Württemberg im Rahmen der Priorisierung in Gruppe 1. Innerhalb dieser Gruppe hat das Land ausdrücklich keine weitere Differenzierung vorgenommen. Daran ändert auch die Veröffentlichung der exakten Punktwerte je Projekt nichts. Zu folgern, dass die Aufnahme der B30-Süd in die Projektliste des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung „allen bisherigen Zusicherungen, dass der Bund die Priorisierung durch das Land anerkennt“ widerspricht, ist nicht richtig. Vielmehr wird die Auffassung des Landes bei der vom Bund getroffenen Projektauswahl zugrunde gelegt. Überhaupt irritiert mich die Interpretation der dreigruppigen Priorisierung als Liste für die chronologischen Abfolge von 20 Einzelmaßnahmen. Noch im April dieses Jahres hatten Sie und Ihre Verwaltung das Prozedere der Landesregierung skeptisch beurteilt. Ihre in der Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses der Stadt Friedrichshafen am 16. April geäußerten Sorgen, dass „die Bewertung ein breites Spielfeld bietet“ und „der Kriterienkatalog unvollständig“ sei, teile ich bis heute. Diese Sorgen nach der Veröffentlichung eines guten Ergebnisses vom Tisch zu wischen und innerhalb der Gruppe 1 auf eigene Faust eine, von der Landesregierung ausdrücklich nicht gewünschte, Hierarchisierung vorzunehmen, ist unredlich. Abschließend: Ich räume ein, dass die Äußerungen des Parlamentarischen Staatssekretärs Mücke (FDP) – der, wie Sie wissen, nicht für den Straßenbau in Baden-Württemberg zuständig ist – vor einigen Wochen nicht förderlich waren. Gleichwohl hat das Bundesverkehrsministerium an anderer Stelle wiederholt betont, dass die Prioritäten-Liste des Landes für den Bund lediglich als Diskussionsgrundlage dienen kann.

Sehr geehrter Herr Brand, ich habe den Bodenseekreis 19 Jahre im Deutschen Bundestag vertreten und fühle mich der Stadt FN verbunden und zugleich verpflichtet. Daher habe ich mich immer für die B 31 eingesetzt und werde das beharrliche Eintreten meines Kollegen Lothar Riebsamen (MdB) auch weiterhin mit Nachdruck unterstützen.

Ich setze auch zukünftig auf gemeinsame Anstrengungen im Sinne der Region und hoffe, dass die dargelegten Fakten einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten. Dass gerade die politische Auseinandersetzung auch vom Ringen um die Deutungshoheit lebt, weiß ich. Schmähkritik und Beleidigungen gehören dazu jedoch meiner Meinung nach nicht.“

(Erschienen: 12.12.2012 20:20)