Eidechsen bremsen die Südumfahrung Markdorf aus – und sie wird nochmals teurer werden

 

Ein Drama in vielen Akten: Wieder einmal wird das Bauvorhaben gestoppt. Wegen der geschützten Eidechsen muss vermutlich umgeplant werden, bis zu einem Jahr länger soll es dauern. Die Kosten werden deshalb weiter steigen.

 

Dass die Südumfahrung Markdorf ein dickes Brett zu bohren ist, für diese Erkenntnis reicht ein Blick auf die zwei Jahrzehnte lange Planungsgeschichte. Am 3. Dezember 2021 fällte der Kreistag schließlich den Baubeschluss und seither wird an der Detailplanung gearbeitet.

Zuletzt war es allerdings nur noch im Schneckentempo vorangegangen: Verzögerungen bei den Brücken-Planungen und zusätzliche Baugrunduntersuchungen hatten dafür gesorgt, dass der für den Herbst 2022 vorgesehene Spatenstich auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste. Im Frühjahr oder Sommer 2023, hieß es damals, könne es soweit sein. Doch dann kamen die Eidechsen und nun drohen ein weiterer Zeitverzug um ein Jahr und deutlich höhere Kosten am Ende.

Darüber informierte am Dienstagabend Tobias Gähr, Leiter des Straßenbauamtes im Landratsamt, die Mitglieder des Technischen Ausschusses des Kreistags. Der Grund: Wegen der großen Eidechsenpopulation, die mehr oder minder mitten im Bereich des geplanten Anschlussknotens der Südumfahrung im Westen an die B33 vor Ittendorf gefunden wurde, fordert das Regierungspräsidium (RP) Tübingen nun die Prüfung einer Alternative für den Anschluss. Denn die Zauneidechse ist streng geschützt und es geht um immerhin 150 bis 200 Tiere. Die geforderte Prüfung, so Gähr, sei Ende 2022 in Auftrag gegeben worden. Man wolle „rechtssicher“ bleiben, sagte er.

Doch daran hängt nun ein Rattenschwanz: Müsste der Anschlusspunkt, der bisher dort vorgesehen ist, wo früher der Haslacher Hof stand, umgeplant werden, hätte dies „eine abschnittsweise Änderung der Kreisstraße in Lage und Höhe“ zur Folge, heißt es. Außerdem müsste die Querung eines Wirtschaftsweges geändert werden. Im Landratsamt geht man Stand jetzt von einer weiteren Verzögerung um ein Jahr aus. Alternativ könnte der Landkreis einen Ausnahmeantrag in Tübingen stellen. Doch dessen Erfolgsaussichten sind spekulativ. Von dem Eidechsen-Thema sei er „nicht sonderlich begeistert“, sagte Landrat Lothar Wölfle: „Aber mit dem muss man jetzt einfach umgehen, das ist auch nicht überraschend.“ Er bedauere es aber, dass er nun nicht mehr persönlich den Spatenstich vornehmen könne. Auf dem Bagger wird stattdessen dann sein Nachfolger Luca Wilhelm Prayon sitzen.

Kreisverkehr statt Ampelkreizung?

Die längere Zwangspause, bis es in Sachen Südumfahrung wieder weitergehen wird, will die Kreisverwaltung dazu nutzen, einen Vorschlag der Stadt Markdorf prüfen zu lassen: Es geht um die Umplanung des Anschlussknotens im Osten zwischen der Bahnüberführung und der Firma Wagner. Dort ist der Anschluss an die L207 derzeit noch als Ampelkreuzung geplant. Nun soll geprüft werden, ob der Anschluss auch in Form eines Kreisverkehrs umgesetzt werden kann. Vorteile hätte dies auch für den Radverkehr, der dann querungsfrei entlang der Südumfahrung weitergeführt werden könnte. Der Auftrag für die Planungen ging Ende 2022 raus. Norbert Zeller hakt nach. Einen Fragenkatalog hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Zeller im Vorwege der Sitzung an Landrat Wölfle adressiert. Gähr beantwortete Zeller in der Sitzung die Fragen zu einzelnen Details. Zeller wies dabei unter anderem auch auf den „noch schwerer wiegenden Konflikt“ mit den ebenfalls geschützten Bachmuscheln im Espengraben hin. Dabei gehe es um bis zu tausende Muscheln, die umgesiedelt werden müssten. Er wünsche sich deswegen eine umfassende Behandlung des Themas Artenschutz in einer der nächsten Sitzungen. „Die zeitliche Verzögerung von einem Jahr bedeutet auch eine enorme Kostensteigerung“, sagte er außerdem. Als eigenes Sitzungsthema sehe er den Artenschutz nicht, sagte Gähr. Einen Bericht dazu gebe es aber, er werde zurzeit noch „final geprüft“ und dann veröffentlicht.

Neue Rechtslage kommt Eidechsen entgegen

Begonnen hatte alles vor einem Jahr: Bei artenschutzrechtlichen Nachuntersuchungen war die deutlich größer als erwartete Eidechsenpopulation im Bereich des abgerissenen Haslacher Hofes entdeckt worden. Bis dahin war man noch von rund 20 Tieren ausgegangen, die man umsiedeln müsste. Zwar hat die Straßenmeisterei Markdorf inzwischen ein abgegrenztes Habitat für die Tiere eingerichtet, begonnen wurde mit der Umsiedlung aber noch nicht. Ob es nun überhaupt dazu kommen wird, ist fraglich. Dass eine Umplanung nötig werden könnte, ist einer neuen Rechtslage geschuldet, die für solche Artenschutzfälle inzwischen eine Prüfung von Alternativen vorsieht. Nach der öffentlichen Auslegung der Habitatpläne waren seit Herbst 16 Stellungnahmen von Behörden, Verbänden und Privatpersonen eingegangen, in denen die Alternativenprüfung teils auch gefordert wurde.

Probleme bereiten die Eidechsen außerdem auch am anderen Ende der geplanten Trasse: Bei der Firma Wagner, wo der Anschlussknoten an die von Kluftern nach Markdorf führende L207 geplant ist, seien ebenfalls weitere Vorkommen der Reptilien gefunden worden. Die wiederum sollen nun teils vergrämt, teils abgesammelt und umgesiedelt werden.

Nun gehen die Kosten in Richtung 40 Millionen Euro

Was all dies letzten Endes für die Baukosten bedeutet, lässt sich noch gar nicht abschätzen. Im Juni 2021 hatte das Landratsamt die letzte Kostenschätzung vorgelegt. Damals wurde eine Gesamtsumme von 29,8 Millionen Euro taxiert. Zuletzt standen 33 Millionen Euro im Raum, doch seither explodieren die Kosten für Bauleistungen weiter. Bei einer weiteren längeren Verzögerung und zusätzlichen Umplanungen dürften sich die Gesamtkosten allmählich in Richtung 40 Millionen Euro bewegen. Immerhin hat das Land die Deckelung der Förderhöhe inzwischen ausgesetzt. Bislang steht die Zusage aus Stuttgart über 9,5 Millionen Euro. Den Rest müssen sich Landkreis und Stadt Markdorf teilen.

Während man beim Landkreis seit 2021 von einem Eigenanteil von bis zu 12 Millionen Euro ausgeht, blieb man bei der Stadt damals beim 2019 errechneten Eigenanteil von 8,5 Millionen Euro. Die stehen so auch in der Finanzplanung der Markdorfer Kämmerei. Sollte der jeweilige Eigenanteil auf bis zu 15 Millionen Euro ansteigen, würde dies in Markdorf ein Beben auslösen. Denn das ist Geld, das die klamme Stadt nicht hat.

Die Krux: Um wie viel es am Ende tatsächlich teurer werden wird, lässt sich erst sagen, wenn die geänderten Planungen fertig sind – und selbst dann nicht verlässlich. Denn auch das wäre nur eine Momentaufnahme ohne laufende und künftige Baukostensteigerungen. Und wohl erst zuletzt würde sich entscheiden, welchen Anteil das Land übernimmt. Kurz gesagt: Die Kosten sind derzeit noch eine Schubkarre voller Fragezeichen. Mitte des Jahres, sagte Gähr, werde man Genaueres wissen, sowohl in der Frage einer Umplanung als auch des zeitlichen Horizonts. Dann soll der Kreistag erneut unterrichtet werden.