Das Ende der Einigkeit

 

IG KlufA will doch eine Umgehungsstraße in Kluftern bauen – CDU wird Mediationsverfahren anerkennen

Ralf Schäfer

Friedrichshafen sz Es rumort in Kluftern. Die Interessengemeinschaft Klufterner Alternative (KlufA) veröffentlicht ihren ursprünglichen Kommentar zum Mediationsverfahren zur Ortsumfahrung. Die IG will den Kresitag bewegen, dem Ergebnis, keine Straße zu bauen, nicht zuzustimmen. Es werden Flugblätter verteilt, um für eine Abkehr vom Mediationsverfahren zu werben.

Auslöser für diese Abkehr von der bisher gezeigten Haltung sei ein Artikel in der Fachzeitschrift für Straßenbau, „teams“, gewesen. Dort wird über ein technisches Verfahren berichtet, wie man Brücken über Naturschutzgebiete bauen kann, ohne diese Gebiete zu zerstören oder dort über Gebühr einzugreifen. In Polen wird eine Brücke über ein Areal des europäischen Schutzgebietnetzwerks Natura 2000 gebaut. „Das ist ein weit empfindlicheres Gebiet als die für die Variante A1, die ursprüngliche bahnparallele Trasse, ins Spiel gebrachten Hochwasserschutzgebiete in Kluftern“, sagt Edgar Merkle.

Neuartiges Bauverfahren

Er folgert daraus, dass mit diesem als „Freivorbau“ bezeichnetem Bauverfahren auch die Trasse in Kluftern gebaut werden könnte und alle Einwände wegen des Naturschutzes und des Hochwasserschutzes nicht mehr greifen. Das solle schnell untersucht werden. Edgar Merkle und Andreas Bausinger, die Sprecher der IG, wollen ein externes Gutachterbüro beauftragt wissen, das Kosten und Machbarkeit dieses Bauverfahrens für Kluftern untersuchen soll.

„Wir sind angetreten, den Verkehr aus Kluftern zu bringen. So wie es aussieht, wird sich aber nichts ändern, der Verkehr wird zunehmen, und Hagnaus Umfahrung und damit die angebliche Entlastung für Kluftern sind noch lange nicht in Sicht“, sagt Edgar Merkle, der für KlufA im Regionalforum saß und das Schlussdokument des Mediationsverfahrens mit dem Ergebnis, keine Straße zu bauen, mit unterzeichnet hat.

In ihrer abgedruckten Erklärung unter dem Schlussdokument des Mediationsverfahrens schreibt die Interessengemeinschaft, dass sie das Ergebnis akzeptiert, fordert aber den dringenden Ausbau der B 31 zwischen Meersburg und Immenstaad, da das, nach Ansicht der Fachleute, Entlastung für Kluftern bringen soll.

Das Original hört sich anders an

Eigentlich aber hatte KlufA eine ganz andere Stellungnahme parat, die sie jetzt auf ihrer Internetseite veröffentlicht: „KlufA kann die von der Mehrheit des Regionalforums ausgesprochene Empfehlung nicht mittragen. KlufA ist mit der Zielsetzung angetreten, im Zuge Fertigstellung der B 31-neu für eine zeitnahe Verkehrsentlastung von Kluftern einzutreten. Spätestens bei Fertigstellung der B 31-neu wird der zu erwartende Mehrverkehr durch Kluftern führen. Das in der letzten Phase des Mediationsverfahrens eingebrachte Szenario einer Ortsumfahrung Hagnau mit einer prognostizierten Entlastung für Kluftern ist für KlufA nicht nachvollziehbar. Zudem ist eine zeitnahe Realisierung der Ortsumfahrung Hagnau nicht zu erwarten.“

Gleichzeitig plant die Interessengemeinschaft, Flugblätter zu verteilen, auf denen dafür geworben wird, das Ergebnis des Mediationsverfahrens nicht anzuerkennen. Um das zu erreichen, haben Edgar Merkle und Andreas Bausinger auch mit Dieter Hornung, Fraktionsvorsitzender der Kreistags-CDU, Kontakt aufgenommen. Die CDU hatte vor der Sommerpause die Abstimmung über das Mediatonsergebnis zurückgestellt, weil man sich noch einmal genauer mit den Trassen beschäftigen wolle.

Auch Markus Spieth, ehemaliger Bürgermeister Eriskirchs und Kreistagsmitglied, hatte sich kritisch mit dem Ergebnis auseinandergesetzt und könnte jetzt – so glaubt die KlufA – auch die Freien Wähler bewegen, das Ergebnis nicht anzuerkennen. Aus dieser Rechnung aber scheint nichts zu werden.

Kreistag wird zustimmen

Markus Spieth ist noch im Urlaub, die Freien Wähler haben keine Anstalten gemacht, das Verfahren abzulehnen und Dieter Hornung sagte gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“, die CDU werde das Ergebnis des Mediationsverfahrens anerkennen. „Wir wollen aber die Türe nicht zuschlagen und fordern ein Moratorium, das sich in drei bis fünf Jahren mit der Frage beschäftigt, ob die Hagnauer Umfahrung kommt, ob sie eine Lösung für Kluftern bringt oder was sonst getan werden muss“, sagt Dieter Hornung. Merkle, Bausinger und Hornung sind sich einig darin, dass die Hagnauer Umfahrung bislang noch Wunschdenken ist und Kluftern solange mit dem Verkehr leben müsse. Die CDU hatte in der Sommerpause noch einmal die Trasse B, die über Riedheim nach Süden laufen sollte, betrachtet. Das Bauverfahren, mit dem Merkle wirbt, ist der Union nicht bekannt, Hornung sieht trotzdem den Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen, erst „in ein paar Jahren“ gekommen.

Damit stimmt Edgar Merkle nicht überein: „Umso länger es dauert, bis Planungen beginnen oder Straßen gebaut werden, desto schwieriger wird es.“ Warum könne man sich nicht jetzt mit dem neuen Bauverfahren auseinandersetzen, das im Mediationsverfahren noch gar keine Rolle spielte, fragt er. Seine Vorhersage: „Der Verkehr wird zunehmen. Von 10 000 auf 14 800 Fahrzeugen täglich. Ob Hagnau hilft, wenn es denn dann kommt, wissen wir nicht.“

Das Mediationsverfahren und sein Ergebnis

Keine Klufterner Ortsumfahrung zu bauen, ist das Ergebnis der Verkehrsmediation Kluftern gewesen. Im Mai diesen Jahres war dieses Ergebnis – zur Überraschung vieler – nach gut zweieinhalb Jahren Arbeit vorgestellt und anschaulich begründet worden.

Das Schlussdokument mit diesem Ergebnis ist von allen Beteiligten des Regionalforums unterzeichnet worden, sie haben in Anmerkungen das Ergebnis kommentiert. Anton Hütter hat als Mediator das Verfahren begleitet. Am Ende war man sich offiziell einig, dass von den sechs Trassen, die bei der Vorstellung des Zwischenergebnisses im Oktober 2016 übrig geblieben waren, fünf wegen erheblicher Belastungen und massiver Probleme, auch rechtlicher Art, ausgeschieden sind. Übrig geblieben ist die Trasse B, die nördlich und östlich Riedheims und östlich Klufterns und Efrizweilers hätte geführt werden können.

Doch auch diese Trasse ist schließlich als nicht realisierungsfähig bezeichnet worden, weil sie erhebliche Nachteile für Umwelt und Natur, aber auch für die Landwirtschaft und die Belange der dort lebenden Menschen gehabt hätte. Der Bau dieser Trasse hätte teilweise existenzbedrohende Folgen für Landwirte gehabt.

Unter Berücksichtigung aller im Mediationsverfahren berücksichtigten Faktoren und dem möglichen Ausbau der B 31 zwischen Meersburg und Immenstaad hätte die Trasse B nicht mehr die Entlastung für die Ortsdurchfahrt Kluftern gebracht, wie es gewünscht war. Gleichzeitig wird aber empfohlen, die B 31 zwischen Immenstaad und Meersburg mit akzeptabler Lösung für Hagnau auszubauen und den öffentlichen Personen-Nahverkehr zu stärken, das Radwegenetz zu erweitern und in den Ortsdurchfahrten Maßnahmen zu finden, die den Verkehr reduzieren sollen.

Der Häfler Gemeinderat hat das Ergebnis bereits vor den Sommerferien angenommen, der Kreistag stimmt darüber in der Sitzung am Dienstag, 10. Oktober, ab.

 

 

 

Kommentar:

28.09.2017, 21:38 Uhr

Neue Fakten ?

Wenn sich die Faktenlage deutlich geändert hat, dann muss man eine Entscheidung auch wieder neu überdenken können. Aber hat sie sich wesentlich geändert?

Dass im Straßenbau auch Brücken gebaut werden können, dürfte den Fachplanern bekannt gewesen sein. Und dass man diese auch über Hochwasser- oder Naturschutzgebiete bauen kann, ist ebenfalls nicht neu. Wieso dieses neuartige Bauverfahren hier entscheidende Vorteile bringen soll, bleibt schleierhaft. Für den Hochwasserschutz würden ein paar Brückenpfeiler auch nicht stören. Allerdings wären sehr lange und damit teure Brückenbauwerke nötig. 

Für den Naturschutz wären nicht "alle Einwände" beseitigt: Denn auch eine Straße auf einer Brücke macht Lärm und fordert Kollisionsopfer (Vögel, Fledermäuse). Der Lebensraum und die Vegetation im Schatten einer Brücke und ohne Regen werden völlig verändert.

Die A1-Trasse ist zudem auch aus weiteren Gründen durchgefallen: Sie hätte auf Höhe des Bahndamms verlaufen müssen und damit eine großflächige Verlärmung bewirkt - auch von Kluftern mit seinen Teilorten, die doch eigentlich entlastet werden sollten. Zitat: "Die Nachteile durch Neuverlärmung an den Ortsrändern und in den Ortsdurchfahrten an der B33 überwiegen die in der Regel lediglich geringen Entlastungen der Ortsdurchfahrten im Untersuchungsraum." 

Die gravierenden Beeinträchtigungen der Naherholungsgebiete wären auch in Brückenbauweise gegeben. Zudem wäre die Option für den Bau eines zweiten Bahngleises völlig verbaut worden - alles andere als eine zukunftsfähige Planung also!

Insgesamt ein durchsichtiger Versuch der KLUFA, sich von ihren Zugeständnissen im Mediationsverfahren zu verabschieden. Und das auf Basis eines "Fachartikels" in der Hauspostille des Straßenbaukonzerns STRABAG (siehe Foto). Es soll ja sogar Bürgerinitiativen geben, die von der Straßenbauindustrie finanziert werden…

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Harmonie nicht der Weisheit letzter Schluss

Von Ralf Schäfer

Kommentar sz Das Mediationsverfahren hat sich als vortreffliche Möglichkeit erwiesen, zu einem strittigen Thema eine Lösung zu finden. Und dazu sind Kompromisse nötig. Eine Klufterner Alternative kann das Ergebnis akzeptieren und trotzdem anderer Meinung sein. Die Interessengemeinschaft Klufterner Alternative jedoch „höflich unter Druck zu bitten“ – wie Edgar Merkle es sagt – eine andere als die erste Erklärung unter das Dokument zu setzen, hat mit einem Kompromiss ganz und gar nichts mehr zu tun. Das ist Tatsachenverdrehung mit dem Ziel, eine Harmonie herzustellen. Nun ist Harmonie in der Politik aber nicht immer zielführend. Oftmals helfen Streit und öffentliche Debatten durchaus weiter. Schade, dass diese Debatten erst jetzt nach Abschluss des Verfahrens beginnen und nicht schon zur Problemlösung während der Mediation in Kluftern beitragen konnten.

r.schaefer@schwaebische.de