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BUND-Verbandsklage: Einzigartiger Bestand der Bachmuschel darf nicht zerstört werden

Stuttgart. Am Montag und Dienstag dieser Woche verhandelte der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) in Friedrichshafen die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Verlegung der B 31 zwischen Immenstaad und Friedrichshafen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg e.V. hatte am 20. August 2008 gegen das Vorhaben geklagt und sich insbesondere gegen den Bau eines Anschlussknotens südöstlich von Friedrichshafen-Schnetzenhausen gewendet. „Dieser Bau vernichtet einen der letzten Lebensräume der streng geschützten Bachmuschel „Unio Crassus“, begründet BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß die Klage.

Der BUND kritisiert, dass die Anschlussstelle die Verlegung des Mühlbachs auf einer Länge von mehr als 500 Meter erforderlich macht. In diesem Bachabschnitt kommt jedoch die in Deutschland und der gesamten Europäischen Union nach Flora Fauna Habitat-Richtlinie streng geschützte „Kleine Bachmuschel“ vor (s. Hintergrund). In Baden-Württemberg gibt es nur fünf an die EU gemeldete FFH-Gebiete zum Schutz der Bachmuschel, die dem Mühlbach vergleichbar sind. Dass der Mühlbach bei Schnetzenhausen nicht gemeldet ist, ist für den BUND unverständlich.

„Trotz detaillierter Einwendungen des BUND zum Schutz dieser bundesweit bedrohten Tierart hat das Regierungspräsidium Tübingen im Planfeststellungsverfahren auf der Verlegung des Mühlbachs bestanden“, ärgert sich Berthold Frieß. Die Genehmigungsbehörde war im Verfahren von lediglich 88 Einzeltieren in dem zu verlegenden Bachabschnitt ausgegangen, obwohl zwei Gutachten mit sehr unterschiedlichen Schätzungen des Bestands vorlagen. Um Klarheit über den tatsächlichen Muschelbestand zu schaffen, hat der BUND dem Gericht eine weitere detaillierte Untersuchung vorgelegt. Dieses Gutachten ermittelte 2273 Exemplare der Bachmuschel in dem bewussten Bachabschnitt – ein überregional bedeutendes Vorkommen dieser gefährdeten Art! Im gesamten Mühlbach leben, so stellte sich im Lauf der mündlichen Verhandlung heraus, mindestens 8500 Bachmuscheln. Eine Umfrage des BUND bei den Regierungspräsidien in Baden-Württemberg hat ergeben, dass es sich dabei um einen der größten im Land bekannten Bestände handelt. Der BUND fordert darum dringend die Nachmeldung zum FFH-Gebiet.

Die vom Regierungspräsidium geplante Umsiedlung des Muschelbestands beurteilt der BUND als ungeeignet. Laut Frieß war eine solche Aktion bisher noch nie erfolgreich. Die 1-3 Jahre alten winzigen Jugendstadien der Muschel können gar nicht erfasst werden. Das Risiko ist hoch, dass viele Tiere bei der Umsetzung verenden oder am neuen Ort keine ausreichenden Lebensbedingungen vorfinden. “Am Mühlbach betrifft die Umsetzung 30 Prozent des Bestandes der Muschel und über 40 Prozent ihres Lebensraumes. Angesichts der genannten Schwierigkeiten ist es fahrlässig, dass das Regierungspräsidium allein auf das Prinzip Hoffnung setzt“, so Frieß.

Der BUND hat laut Frieß nicht das Interesse den Bau der B31 zu verhindern oder zu verzögern. Bereits im Planfeststellungsverfahren hatte der Verband dem Regierungspräsidium die Verlegung des Anschlussknotens Schnetzenhausen vorgeschlagen. Deshalb sei es unverständlich, dass vorliegende Alternativen für eine artenschutzverträgliche Lösung im bisherigen Verfahren ignoriert wurden. „Das Land muss am Mühlbach ernst machen mit dem Artenschutz: nicht der Straßenbau, sondern eine bedrohte Art muss endlich den Vorrang bekommen“, lautet das Fazit der Naturschützer.


Hintergrund: Lebensbedingungen der Kleinen Bachmuschel (Unio crassus)
Die Kleine Bachmuschel, auch Kleine Flussmuschel (Unio crassus) genannt, gehört zu den heimischen Süßwassermuscheln. Sie wird bis zu 15 cm groß. Die Muscheln leben versteckt am Gewässergrund. Im Sediment eingegraben, ernähren sie sich von Schwebstoffen und spielen eine wichtige Rolle für den Stoffhaushalt und die Selbstreinigung der Gewässer.
Während Süßwassermuscheln früher Bäche, Flüsse und Stillgewässer besiedelten und sogar als Enten- und Schweinefutter genutzt wurden, sind die Vorkommen in den letzten 100 Jahren drastisch zurückgegangen. Ursachen dafür sind Ausbau, Verschmutzung und Unterhaltung der Fließgewässer. Alle sieben Großmuschelarten stehen auf der bundesweiten „Roten Liste“. Die Jungmuscheln sind sehr empfindlich gegenüber Gewässerverschmutzung
Von April bis Juli pflanzt sich die Kleine Bachmuschel fort. Die Männchen geben dazu ihre Spermien ins fließende Wasser ab. Die Weibchen müssen die Spermien einstrudeln und befruchten so die Eier im Kiemenraum. Daraus entwickeln sich Larven, die dann vom Weibchen ausgestoßen werden. Diese nur wenige Tage lebensfähigen Larven heften sich an die Kiemen von Fischen und wandeln sich dort zur Jungmuschel. Am Ende der parasitären Phase fällt die Jungmuschel vom Fisch ab und gräbt sich in den Gewässergrund ein. Die Kleine Bachmuschel wird mit drei Jahren geschlechtsreif und in der Regel 15-20 Jahre alt.
Bei der Anlage eines neuen Bachbettes – wie beim Mühlbach geplant – ist es schwierig, das für die Muschel richtige Sohlsubstrat einzubauen. Bei einer Um-setzung in den Oberlauf des Mühlbaches, wo ein großer Teil der Population lebt, wird es schwierig, für über 2000 zusätzliche Tiere geeignete Flächen zu finden. Auch im Mühlbach ist die Kleine Bachmuschel, trotz relativ guter Bedingungen bedroht. Die „Inselpopulation“ würde durch einen Eingriff verkleinert und somit geschwächt. Der Bisam hat die Muscheln „zum Fressen gern“. Nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, Anhang II und IV besitzt die Kleine Bachmuschel den höchsten Schutzstatus, den die EU vergibt.

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